Wenn man auf dem Besetzungszettel
von Ludwig van Beethovens "Fidelio" (Premiere 8. Juli in Klosterneuburg)
den Namen Elisabeth Augustin findet, glaubt man zuerst an einen
Irrtum.
Was hat die Burgschauspielerin in
einer Oper zu suchen?
"Das ist schon das falsche Metier,
das gebe ich ja zu, aber es stimmt. Ich habe in Klosterneuburg eine
sehr schöne Sprechrolle bekommen. Ich spiele Leonore, die nach vielen
Jahren in das bereits längst geschlossene Gefängnis zurückkommt
und sich an das Geschehen damals erinnert. Die Oper läuft in ihrer
Erinnerung ab. Meine Leonore bleibt fast dauernd auf der Bühne,
wird von keinem gesehen, sieht aber selbst alle, mischt sich ein,
stellt um und kommentiert vieles."
Mit der Rahmenhandlung gehen die
operklosterneuburg und ihr Intendant, Michael Garschall, natürlich
ein gewisses Risiko ein.
"Ja, Garschall hat Bedenken, dass
er das Publikum abschrecken könnte. Aber ich habe ihm Mut gemacht.
Meine Erfahrung ist, dass die Menschen sehr neugierig werden, wenn
sie von solchen Deutungen hören."
Warum gerade sie diese Rolle bekommen
hat, das müsse man natürlich Garschall fragen.
"Aber ich sehe eine Brücke zu meiner
jüngsten Rolle im Burgtheater, dem Monolog für eine Frau, die auch
zurückblickt. Und tatsächlich ist das eine aktuelle, reale Facette
auf meinem Lebensweg. Ich bin nicht mehr ganz jung, ich bin noch
nicht alt. Und ich fange an, mich zu erinnern, wie es damals war
…"
Den Wunsch des Vaters von der Tochter
erfüllt Schauspielende Vorfahren hat Elisabeth Augustin keine, aber
sie kommt aus einer sehr künstlerisch geprägten Familie.
"Mein Vater war ein sehr guter Geiger,
der durch den Krieg vier Jahre verloren hat. Jüngere Kollegen haben
ihn überholt, er hat für sich in der Kunst keine Zukunft gesehen
und Architektur studiert. Aber in seiner Freizeit hat er immer Geige
gespielt. Sein Wunsch, Künstler zu werden, hat sich auf mich übertragen."
Dabei ist die Schauspielerin alles
andere als extrovertiert, wie's der Beruf vermuten ließe.
"In jungen Jahren haben mich oft
schwere Zweifel geplagt, und ich habe mich zurückgezogen. Ich bin
nicht nach außen ausgebrochen, sondern nach innen. Meine Freundinnen
haben mich dann herausgeholt und an mein Ziel erinnert."
Jedenfalls, meint Elisabeth Augustin,
"wäre ich nicht ans Max-Reinhardt-Seminar gekommen, dann hätte ich
sicher gleich aufgegeben".
Das Schreiben wäre für sie eine
Alternative gewesen, und tatsächlich hat sie literarische Spuren
hinterlassen.
"Für den großen Roman fehlt mir
die Zeit. Das Schreiben frisst einen auf. Ich verstehe mich als
Schauspielerin, die schreibt, Regie führt und singt - aber immer
Schauspielerin ist."
Auf der Suche nach neuen Wegen und
neuen Bildern Ihr Herz hängt sehr am zeitgenössischen Theater.
"Vielleicht, weil ich drei Kinder
habe. Mich interessiert, was sie denken und was sie beschäftigt.
Die Autoren und Regisseure meiner Rollen sind jünger als ich. Und
ich finde es spannend, mit ihnen neue Wege zu suchen und neue Bilder
zu schaffen. Es ist ja heute so, dass in den Stücken die Dramatik
zugunsten von Textflächen zurückgestellt wird, und man sich der
Frage stellen muss, wie man diese Texte transportiert."
Seit sechsundzwanzig Jahren ist
Elisabeth Augustin mit Rudolf Melichar verheiratet. Kennen gelernt
hat sie ihn an der Burg.
"Ich wurde als Partner von Michael
Heltau in Tom Stoppards ,Travesties' engagiert, hab' aber davor
noch die Fanny in Nestroys ,Früheren Verhältnissen' gespielt. Dabei
habe ich ihn kennen gelernt. Bei einem Fest hat eine Kollegin gesagt:
Schau, die Elisabeth und der Rudi, wie die sich ähnlich schauen!
Dabei waren wir damals noch gar nicht zusammen. Aber wir haben eben
eine ganz besondere Wesensverwandtschaft. Menschen mit Seelenaugen
können so was sehen."
Es ist eine glückliche Beziehung
geworden, und sie ist es immer noch.
"Wir leben fast wie eine Durchschnittsfamilie.
Ich habe bald verstanden, dass Kinder konservativ sind und ein regelmäßiges
Leben haben wollen. Sie haben gelernt, dass so ein Leben nicht immer
möglich ist, vor allem, wenn Mutter oder Vater vor einer Premiere
stehen."
Sehr viel Zeit verbringt die Familie
in Yspertal. Hier haben Augustins Eltern vor vielen Jahren ein Haus
gefunden, und später auch die Tochter.
"Ich habe die Gegend schon als Kind
geliebt, und deshalb haben wir hier auch sehr gezielt gesucht. Heute
noch machen wir keine großen Urlaube, sondern verbringen sehr gerne
die Ferien hier."
Heuer wird's ein bisserl anders
sein. Denn da muss sie das Yspertal immer wieder mit einem spanischen
Gefängnis tauschen.
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